Am 13. November 2025 kamen über 70 Fachkräfte aus Beratung, Verwaltung, Wissenschaft, Kirche und Zivilgesellschaft im Rathaus Steglitz zusammen. Im Mittelpunkt des Fachtags stand der Austausch über Schutz und Unterstützung für Frauen, die von Gewalt betroffen sind.
Die Vielfalt der Teilnehmenden spiegelte die Breite des lokalen Netzwerks wider – vom Jugendamt über Polizei und Frauenhäuser bis zu Nachbarschaftsprojekten, Familien- und Erziehungsberatung sowie weiteren zivilgesellschaftlichen Initiativen.
Organisiert von der Koordinierungsstelle des Netzwerks für Alleinerziehende, Van Hoang-Sanders, und der bezirklichen Frauenbeauftragten, Madalina Draghici, setzte der Fachtag rund um den Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ein deutliches Zeichen:
Für den wirksamen Schutz gewaltbetroffener Frauen sind stabile Ressourcen, langfristige Finanzierung und eine konsequente politische Priorität erforderlich.

© Alexandra Patriciu. Im Bild: M. Draghici und V. Hoang-Sanders
Im aktuellsten Bundeslagebild zur häuslichen Gewalt registrierte die Polizei im Jahr 2024 in Deutschland insgesamt 265.942 Opfer. Expert*innen gehen davon aus, dass viele Fälle gar nicht angezeigt werden – aus Angst, Scham, Unsicherheit oder mangelndem Zugang zu Hilfe.

Beim Fachtag machten Carolina Böhm, Bezirksstadträtin für Jugend und Gesundheit, und Laura Stradt, Geschäftsführerin des Diakonischen Werks Steglitz und Teltow-Zehlendorf e.V. , deutlich, wie entscheidend die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten und wie wichtig ein starkes Netzwerk für den Schutz Betroffener ist.

Ein klares Statement:
„Rund jede vierte Frau in Deutschland erlebt Gewalt durch einen (Ex-)Partner. Besonders betroffen sind Alleinerziehende und ihre Kinder. Nach einer Trennung endet die Gewalt oft nicht – Nachtrennungsgewalt kann sich verschärfen oder im schlimmsten Fall in Femizid münden. Jede Frau muss jederzeit Zugang zu Hilfe haben, unabhängig von Alter, Herkunft oder Einkommen. Gewaltschutz darf kein Privileg sein. Ein gut abgestimmtes Netzwerk ist dafür entscheidend.“
Die Botschaft hinterließ Eindruck: Zustimmendes Nicken wechselte sich mit nachdenklichen Gesichtern ab, und viele Teilnehmer*innen verfolgten die Ausführungen mit konzentrierten Blicken.

Zum Auftakt sprach Lisa Senger vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sie stellte die Gewaltschutzstrategie der Bundesregierung sowie die Arbeit der Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention vor – ein internationales Abkommen, das weit mehr ist als ein Vertrag: Es ist eine verbindliche Zusicherung, dass Frauen Anspruch auf Schutz, Unterstützung und rechtliche Maßnahmen haben.

„Nur durch ein koordiniertes Vorgehen von Bund, Ländern und Kommunen kann der Schutz wirksam umgesetzt werden. Die Konvention verpflichtet die Staaten auch dazu, präventive Maßnahmen zu ergreifen, Täter konsequent zu verfolgen und Opfern jederzeit Zugang zu Schutz und Unterstützung zu sichern.“
Es geht dabei nicht nur um Gesetze auf dem Papier. Entscheidend ist, dass die Schutzmechanismen im Alltag greifen.
Besonders aufmerksam wurde es, als Sozialwissenschaftler Dr. Wolfgang Hammer sein Plädoyer präsentierte. Unter dem Titel „Macht und Kontrolle in familienrechtlichen Verfahren“ beleuchtete er, wie Entscheidungen in Familiengerichten häusliche Gewalt oft nicht ausreichend berücksichtigen. Jahrelang hat er Akten analysiert, Verfahren untersucht und Betroffene begleitet.
Die Vorstellung, Kinder bräuchten unbedingt Kontakt zu einem gewalttätigen Elternteil, sei tief verankert – und oft hochgefährlich. Dr. Hammer fordert deshalb:
„Sicherheitsabwägungen müssen Vorrang haben.“
Sein Appell berührte die Teilnehmenden tief: Immer wieder meldeten sie sich mit Fragen, Anmerkungen oder eigenen Erfahrungen, was zeigte, wie brisant das Thema ist. Am Ende wurde Dr. Hammers Beitrag mit viel Applaus gewürdigt – ein Moment, der noch lange nachhallte.



Häusliche Gewalt hängt oft mit tief verankerten Vorstellungen von Männlichkeit zusammen. Eigenschaften wie Dominanz, Kompetenz, Durchsetzungsstärke und Überlegenheit werden traditionell als „männlich“ gelesen, während Sanftheit, Wärme, Fürsorge und Gemeinschaftsorientierung als „weiblich“ gelten. Solche Rollenbilder erzeugen ein Klima, in dem Gewalt eher toleriert, übersehen oder verharmlost wird.

Hannah Grunewald von BIG e.V. brachte es in ihrem Vortrag auf den Punkt:
„Wer Gewalt verhindern will, muss auch die gesellschaftlichen Vorstellungen von Männlichkeit hinterfragen.“
Kritische Männlichkeit bedeutet, diese Zuschreibungen bewusst zu reflektieren und Erwartungen an Männer und Frauen neu zu denken. Prävention beginnt bei uns allen – in Schulen, Familien, Freundeskreisen und am Arbeitsplatz – und erfordert konsequentes Handeln auf allen Ebenen: gesellschaftlich, institutionell, sozial und individuell.

Am Nachmittag rückte die Praxis in den Mittelpunkt. Polizeihauptkommissarin Doreen Rudolph, Opferschutzbeauftragte bei der Polizeidirektion 4, und ihre Kolleginnen gaben anschauliche Einblicke in den Ablauf von Einsätzen, wie Risiken eingeschätzt werden und wie Betroffene konkret geschützt werden. Ihre Arbeit ist dabei unverzichtbar: Sie geben Opfern wertvolle Tipps, verweisen auf Hilfsangebote und sorgen dafür, dass Polizei, Beratungsstellen und Jugendämter eng zusammenarbeiten.

Darüber hinaus erklärten sie, wie man reagieren kann, wenn man den Verdacht hat, dass eine bekannte Person von häuslicher Gewalt betroffen ist – ein praktischer Leitfaden für den Alltag.
Die Teilnehmenden zeigten sich beeindruckt. Die Einblicke in den Einsatzalltag machten deutlich, wie viel Fingerspitzengefühl, Empathie und Fachwissen die Opferschutzbeauftragte und ihre Kolleg*innen täglich einbringen. Ihr Engagement verbindet Prävention, Beratung und Begleitung und zeigt, wie wichtig vernetzte Zusammenarbeit für den Schutz Betroffener ist.

Die Beraterinnen der Interkulturellen Initiative, Fachberatungsstelle gegen häusliche Gewalt, zeigten in ihrem Workshop, wie sie Schutzkonzepte praktisch umsetzen und gewaltbetroffene Frauen beraten und begleiten. Mit ihrer fundierten Expertise und ihrem Versorgungsauftrag im Gewaltschutz leisten sie unverzichtbare Arbeit – ihr Engagement macht deutlich, wie entscheidend sie für den Schutz und die Unterstützung betroffener Frauen im Bezirk sind.



Ergänzend stellte StoP Spandau sein Präventionsprojekt vor. Das Projekt sensibilisiert Nachbarschaften, aktiviert Anwohner*innen und motiviert Menschen, selbst aktiv gegen Gewalt zu werden. StoP setzt dabei auf Strategien wie Informationskampagnen und Vernetzungsarbeit in der Nachbarschaft. Besonders überzeugend und wirksam ist der niedrigschwellige Ansatz des Projekts.


Der Fachtag machte deutlich: Im Bezirk gibt es viele engagierte Fachkräfte und Initiativen – doch gewaltbetroffene Frauen brauchen verlässliche Strukturen und politische Rückendeckung. Gewaltschutz darf nicht vom Zufall abhängen, sondern muss durch klare Ressourcen, Standards und Zusammenarbeit gesichert sein. Fachkräfte können nur schützen, wenn Politik die Strukturen schafft, die Schutz überhaupt ermöglichen. Ohne verbindliche Ressourcen, Standards und Prioritäten bleibt Gewaltschutz zufällig – und dafür ist die Lage viel zu ernst.


Koordinierungsstelle BMBFSFJ (1)
berliner_landesaktionsplan (1)
humanistische-zeitenwende-expose
Macht-und-Kontrolle-im-Familiengericht-Analyse-medialer-Falldokumentationen
2025_HG-Kritische Männlichkeit_Präsentation (1)
Fachtag "Gemeinsam gegen Häusliche Gewalt" - Berlin.de
Das Diakonische Werk Steglitz und Teltow-Zehlendorf arbeitet gemeinnützig. Mit unserer Arbeit wollen wir unsere Ziele im Einklang der diakonischen Werte umsetzen. Dabei können Sie uns mit Spenden unterstützen.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Vimeo. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Google Maps. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Google Maps. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Mapbox. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von OpenStreetMap. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Google Maps. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen